Historischer Rundgang durch Nossen

Nossen war jahrhundertelang eine Stadt ohne Stadtmauer, Bürgermeister und Rathaus. Noch im 19. Jahrhundert genügte eine Advokatenkanzlei mit einigen Zimmern für die wenigen Beamten der Stadtverwaltung. So erhielt Nossen erst 1917 als eine der letzten sächsischen Städte am Ende einer starken Wachstumsperiode sein Rathaus. Es bildet einen gelungenen Abschluss des Marktes und des Ensembles der 100 Jahre älteren Bürgerhäuser.

Das Nossner Rathaus

Errichtet wurde das Rathaus 1914 – 1917 nach den Plänen des Stadtarchitekten Wilhelm Beck (s. Gedenktafel am Rathaus).Wegen seiner städtebaulichen Qualität zählt es zu den Kunstdenkmälern des Freistaates Sachsen.

Der Markt Nossens steht unter Denkmalschutz, weil er seit Jahrhunderten in seiner Anlage als geweitete Durchgangsstraße (ehemals Dorfanger) mit seinen Nebenstraßen und seiner Teilung in Ober- und Untermarkt (Trennung in Höhe der Apotheke) nicht verändert wurde. Die Häuser entlang des Marktes bildeten den Ortskern. Auf ihm spielte sich das ganze Leben der Gemeinde ab.

Kirche, Pfarrhof und Gasthof am unteren Ende, Ackerbürgerhäuser, Handwerkerwohnungen, Brau- und Malzhaus am oberen Ende – das war vom hohen Mittelalter bis in die Neuzeit das Städtlein Nossen. Die Gebäude sind höchstens 200 Jahr alt. Noch 1830 besaß jedes Grundstück am Markt Wirtschafts- und Stallgebäude im Hofe und eine Scheune vor der Stadt. Am Haus Nr. 6 und Nr. 42 sind noch die großen Einfahrtstore zu sehen.

Blick zum Markt

Viele der Geschäfte sind seit 100 und mehr Jahren im Besitz einer Familie. So befindet sich die Sterndrogerie seit ihrer Gründung 1895 durch Feodor Otto im Besitz seiner Familie. Das jetzige „Schreib und Büro-Center Thäter“ wird ebenfalls seit der Geschäftseröffnung 1895 als Buchbinderei und Buchhandlung durch Karl Werner von der Familie geführt. Im Hinterhof befindet sich noch ein Saal, der als Gaststätte „Thüringer Hof“ und später als Lichtspieltheater genutzt wurde

Das älteste Geschäft am Ort ist die Drogerie Junghanß. Sie wurde 1809 von Christian Friedrich Junghanß als Kolonialwarengeschäft mit Restauration gegründet und später durch Drogerie und Fotoatelier erweitert. Damit ist sie die älteste Drogerie Deutschlands im Besitz einer Familie.

Seit 1600 ist eine Apotheke in Nossen nachweisbar. Sie erhielt den Namen Adlerapotheke und 1785 ein kurfürstliches Privileg zum Verkauf von Arzneimitteln.

Das evangelische Pfarramt steht an der gleichen Stelle wie seine Vorgänger seit Bestehen einer Stadtgemeinde (1250). In seiner wechselvollen Geschichte brannte es wie fast alle Gebäude der Stadt oftmals ab. Zuletzt wurde das Gebäude 1720 mit Scheune, Stall , Taubenhaus, Backofen und Wasserhaus auf alten Grundmauern wieder aufgebaut. Neben dem Pfarrhaus standen die erste Schule und das Haus des Küsters.

Stadtkirche Nossen

Auch die Stadtkirche wurde oft ein Raub der Flammen. Vollständig neu wurde sie bereits 1563 – 65 an der Stelle gebaut, an der in vorhergehenden Jahrhunderten eine kleine Dorfkirche gestanden hatte. Der Bau wurde durch den Kurfürsten August I. gefördert, indem er Baumaterial aus dem 1450 aufgelösten Kloster Altzella zur Verfügung stellte. Zu seiner Würdigung sind an der Südseite seine Familienwappen angebracht. So wurden auch die beiden kunstgeschichtlich wertvollen Portale aus dem Kloster beim Kirchenbau verwendet. Sie stammen aus der Zeit des Übergangs vom romanischen zum gotischen Baustil kurz nach 1200. Die in halber Höhe eingemauerten Tragsteine, ebenfalls aus dem Kloster, stellen musizierende Engel und einen Bischhof dar. Die Kirche ist in Kriegszeiten oft geplündert und verwüstet worden, bei Stadtbränden völlig ausgebrannt. 1719– 22 wurde sie notdürftig als barocke Hallenkirche aufgebaut und im Laufe von 200 Jahren wieder ausgestattet. Erst 1841 erhielten der Kirchturm und 1933 der Innenraum ihre heutige Form.

Seit 1996 besitzt die katholische Gemeinde ihr eigenes Gemeindehaus „St. Bernhard“. Es steht an der Stelle des Salzkellers und Vorratshauses von Burg und Schloß Nossen. Das 1825 errichtete Gebäude mit denkmalsgeschützter Fassade wurde vor seiner Umgestaltung als Wohnhaus genutzt.

Schloss Nossen

Die Geschichte des Schlosses Nossen reicht bis ins 12. Jahrhundert zurück. Ein Besuch des Museums macht Sie mit ihr näher bekannt. Die Mauer neben der Kirche umschloss den ältesten Nossener Friedhof. Das Grundstück bis zur Straßenkreuzung wurde jahrhundertelang „Grabecke“ genannt.

Am Ende des Untermarktes steht das älteste Nossener Gasthaus, das „Deutsche Haus“, auf dem Boden eines alten Schlossvorwerks, in dem Gäste und Bedienstete der Schlossbesitzer untergebracht wurden. Auch das Kloster Altzella behielt dieses Vorwerk. Bei seiner Aufteilung 1554 wird der Besitzer des Grundstückes „Gastgeber“ genannt. Es widerfuhr diesem Gebäude bei Stadtbränden und Kriegen das gleiche Schicksal wie den anderen Häusern. 1721 beim Wiederaufbau wurden in Tor – und Fensterbögen Schlusssteine eingebaut. Sie sind noch heute an den Fassaden der jetzigen Raiffeisenbank und des gegenüberstehenden Hauses zu finden.

Das älteste Nossener Geschäft für Eisen- und Haushaltwaren, noch immer in Familienbetrieb, gründete Hermann Dürfeldt 1836.

Im 18. Jahrhundert entstand auf der Grundlage einer „Brau- und Beherbergungsberechtigung“ das Hotel und Gasthaus „Goldener Stern“ mit Fremdenzimmern und Saal. Hier fanden die ersten Theateraufführungen durch Wandertheater und 1848 die Gründung des liberalen „Deutschen Vereins“ statt.

Auch die „Nossener Markthalle“ befindet sich seit ihrer Gründung 1907 durch Emil und Anna Adler im Besitz der Familie. Links neben der Toreinfahrt für Postfuhrwerke befand sich von 1814 – 85 die Poststube für umsteigende Personen, unter dem ersten Fenster war der erste Postkasten angebracht. Im Hofe sind noch deutlich Pferdeställe für die zeitweise Unterbringung von 12 Postwechselpferden zu erkennen.

Der 1899 erbaute „Sachsenhof“ besitzt noch heute den größten Saal des Kreises Meißen mit einer im Original erhaltenen Jugendstildekoration. Zu ihm gehörten über viele Jahrzehnte eine Vereinsstube und ein Lichtspieltheater. So war er kultueller Mittelpunkt der Stadt im 20. Jahrhundert Das starke Anwachsen der Einwohnerzahl Nossens am Ende des 19.Jh. brachte neben vielen Problemen auch die Notwendigkeit eines Schulneubaus mit sich. Alle vorherigen Lösungen (Schulräume in der Wohnung des Küsters, Einrichtung einer Schule in einem alten Bauernhof usw.) entsprachen den neuen Anforderungen an die Volksbildung nicht mehr.

Pestalozzi-Grundschule

1892 wurde die Bürgerschule im damals üblichen Stil für städtische und staatliche Bauwerke gebaut. Sie besaß 15 Klassenzimmer für 700 Schüler mit Aula und Turnhalle. Das Brunnenhäuschen und die Terrasse wurden 1912 nach Plänen des Stadtarchitekten Wilhelm Beck als Abschluss des neugeschaffenen Schulhofes errichtet.

Das ehemalige Stadtgut wurde 1653 an Bürger verkauft. Der Besitzer richtete hier 1720 – 1740 die Posthalterei ein. Seit 1896 dient es nur noch als Wohnhaus, die Wirtschaftsgebäude als Garagen. Auch am Grundborn spielte sich jahrhundertelang das öffentliche Leben ab. Frauen wuschen Wäsche, Fleischer schlachteten und Böttcher wässerten Fässer und Räder. Erst 1690 wurden in der Stadtordnung Hygienevorschriften festgelegt.

Im Muldental unterhalb der Burg befinden wir uns im ältesten Teil des Dorfes und späteren Städtleins Nossen. Flußaufwärts haben die ersten Hütten eines sorbischen Dorfes dicht am Hochwasser geschützten Rodigthang gestanden. Erst später wurde das Tal zwischen Rodigt und Schlossberg bebaut. Wenige Meter flussabwärts ist noch die alte Furt durch die Mulde zu erkennen, zu deren Schutz die Burg Nuzzin gebaut wurde. Im 14./15. Jahrhundert stand hier eine Brücke, Holzbalken und Querbretter waren über mit Steinen gefüllte Brückenkästen gelegt, die oft von Hochwasser und Eisgang zerstört , 1714 gänzlich ruiniert wurde. 1715 wurde an ihrer Stelle vom Landbaumeister August des Starken, Matthäus Daniel Pöppelmann, berühmt als Erbauer des Dresdner Zwinger, eine Sandsteinbrücke gebaut. Sie ist das „klassischste Brückenbauwerk“ dieser Zeit.

Sämischleder Fabrik

Die älteste Nossener Lederfabrik wurde 1830 durch Carl Heinrich Müller gegründet. Sie ist bis jetzt in Familienbesitz und das einzige noch in Sachsen bestehende Unternehmen zur Lederherstellung. Im Tal der Freiberger Mulde entstanden im 19.Jahrhundert zahlreiche weitere Fabriken.

Sachsenweit bekannt wurde Nossen als Schulstadt vor allem durch das hier seit 1856 bestehende Seminar. Ihm folgte 1922 eine zum Abitur führende „Deutsche Oberschule“. Ab 1953 wurden wieder Lehrer im „Institut für Lehrerbildung“ ausgebildet, das 1990 vom jetzigen Gymnasium abgelöst wurde.

Die „seit ewigen Zeiten“ bestehende Schlossmühle besaß Mehl- , Schneid- , Walk- und Ölgänge. Bereits 1540 erhielt sie durch Kurfürst August I. Mahlrecht und Mahlbann.

Der Bahnhof Nossen steht unter Denkmalsschutz. Er ist baulich seit Entstehung 1868 als einziger Bahnhof an der Strecke Leipzig – Döbeln – Dresden nicht verändert worden. Bahnsteige mit Schutzdächern, Empfangsgebäude, die beiden Funktionsgebäude, links die Bahnhofsgaststätte, rechts Fahrkartenverkauf, Gepäckabfertigung, Zimmer von Bahnhofsvorsteher und Fahrdienstleiter sowie die darüber liegenden Wohnungen haben ihr damaliges Aussehen behalten.

Neben dem Eingang zum alten Friedhof standen von 1585 bis 1988 das städtische Hospital und das „Siechenhäusel“, die als Armen- und Krankenhaus dienten.

Die im selben Jahr entstandene Bismarkstraße schuf eine neue Verbindung zwischen Stadt und Bahnhof. An ihr stehende Häuser und Villen zeigen charakteristische Merkmale des Jugendstils an den Fassaden. Besonders bemerkenswert sind einige Haustüren sowie die Schmuckelemente am Haus Nr. 32.

Waldheimer Straße

Die Waldheimer Straße ist eine der ältesten Straßen der Stadt. Durch sie lief jahrhundertelang der Verkehr in Richtung Waldheim, Rosswein, Döbeln, Leipzig. Entstanden ist sie im 16.Jahrhundert , als ein altes Klostervorwerk parzelliert wurde und die neuen Häuser entlang einer Gasse standen. Das älteste Haus ist wohl das ehemalige Gasthaus „Zum Roß“, später „Stadt Leipzig“. Die Lage der Gebäude zeigt noch deutlich den Gasthof mit Ausspanne. Der Schlussstein über der Eingangstür mit der Jahreszahl 1830 lässt das Roß erkennen. Hier gründete Willy Hertrampf 1919 eine Autohandlung und – Reparaturwerkstatt, die sich ebenfalls noch im Besitz der Familie befindet.