Information des Bürgermeisters - Kinderschuhe vor den Rathäusern
Am Sonntag wurden in einer kreisweiten Aktion vor den Rathäusern Kinderschuhe abgestellt, um gegen die neuerliche Schließung der Schulen und Kindergärten zu demonstrieren. Auch die Nossener Rathaustreppe ist gut bestückt. Ich kann den Unmut der Eltern über das Wechselspiel aus Lockerungen und Verschärfungen gut verstehen. Die Schließung ist das Ergebnis eines klar definierten Stufenplans, der sich aus der Corona-Schutz-Verordnung ergibt. Diese Regelungen werden durch den Freistaat in Abstimmung mit dem Bund erlassen. Die Städte und Gemeinden sind an diese Vorgaben gebunden. Prinzipiell hatte sich in den vergangenen Wochen aus meiner Sicht der eingeschränkte Regelbetrieb in den Kindertageseinrichtungen bewährt. Infektionen und die daraus resultierende Quarantäne konnte auf die betreffenden Gruppen begrenzt werden, sodass die übrigen Kinder weiterhin die Einrichtungen besuchen konnten. Mit dem Notbetrieb steht der Kita- und Schulbesuch nun wiederum nur „ausgewählten“ Kindern offen, deren Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiten. Große Probleme sehe ich auch im schulischen Bereich, wo durch anhaltendes Homeschooling der Lernfortschritt gefährdet ist. Hier besteht eine Gefahr der Ungleichheit, da nicht alle Eltern ihre Kinder hierbei im gleichen Maße unterstützen können. Auf der anderen Seite muss ich natürlich einräumen, dass bereits in der ersten Woche des Wechselbetriebs drei Klassen unserer Grundschule in Quarantäne gehen mussten. Auch hier gibt es keinen absolut richtigen Ansatz.
Die im Aufruf geäußerte Kritik an Maskenpflicht, Testungen und Impfungen teile ich ausdrücklich nicht. Vielmehr hoffe ich darauf, dass mithilfe dieser Maßnahmen schnellstmöglich eine Rückkehr zu mehr Normalität erfolgen kann.
Ausdrücklich anschließen möchte ich mich dem offenen Brief des SSG-Kreisverbandes Meißen an unseren Ministerpräsidenten. Hier werden einige Handlungsalternativen aufgezeigt, die ich aus meinen Gesprächen der letzten Wochen nur unterstützen kann. Insbesondere der Erhalt einer möglichst umfänglichen Präsenzbeschulung ist für eine Chancengleichheit immens wichtig.
Ich bitte um Verständnis, dass wir die Rathaustreppe im Lauf des Tages beräumen mussten.
Bürgermeisterbrief an den Ministerpräsidenten
Auf Initiative der Stadt Riesa wandten sich der Landrat und die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister des Kreises Meißen in einem gemeinsamen Brief an den Ministerpräsidenten des Freistaats Sachsen, in dem sie eine differenzierte Strategie beim Umgang mit der Corona-Pandemie einfordern. Nachfolgend der Brief im Wortlaut:
Riesa, 19.03.2021
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
die Debatte um die Strategie im Kampf gegen die Corona-Pandemie gewinnt zunehmend an negativer Dynamik. Insbesondere den Vertreterinnen und Vertretern der kommunalen Politik, die Verantwortung für die Umsetzung der Schutzverordnungen in Landkreisen und Kommunen tragen, fällt es immer schwerer, die Entscheidungen von Bund und Freistaat nachvollziehbar zu kommunizieren. Wir sorgen uns um unsere Kinder und Jugendlichen, um das Überleben unserer Händler und Gastronomen sowie der Sportvereine und um die Zukunft von Kultur- und Freizeiteinrichtungen.
Deshalb möchten wir an dieser Stelle unsere Unterstützung für den „Offenen Brief der Bürgermeister des Erzgebirges“ zum Ausdruck bringen. Die darin vorgebrachten Fakten entsprechen auch unserer Auffassung, weil auch bei uns die gleichen Fragen bestehen, die unser ganzes Land bewegen. Die im Brief vorgebrachten Argumente für eine differenziertere Strategie bei der Pandemiebekämpfung können wir vollständig unterstützen.
Ergänzend möchten wir einige Lösungsansätze formulieren, die aus unserer Sicht eine konstruktive Debatte zur wenigstens teilweisen Verbesserung der Situation und vor allem mehr Variabilität und Praktikabilität bei der Umsetzung der Corona-Schutzmaßnahmen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger ermöglichen sollten.
1.
Die Teststrategie des Freistaats Sachsen an den Schulen und Kindereinrichtungen hat unsere volle Unterstützung. Aus den Resultaten der Tests müssen jedoch zielgenaue Konsequenzen für den Betrieb der jeweiligen Bildungseinrichtung möglich sein.
Mit dem undifferenzierten Verfahren einer Öffnung und Schließung für alle Schulen und Kindertagesstätten eines gesamten Landkreises einzig in Abhängigkeit vom Inzidenzwert wird die Sinnhaftigkeit der flächendeckenden Tests ad absurdum geführt. Es stellt sich die Frage, warum überhaupt getestet wird, wenn eine Schule trotz 100 Prozent negativer Tests dann doch schließen muss. Diese Herangehensweise halten wir weder für die Bildung und Erziehung unserer Kinder und Jugendlichen förderlich noch erleichtert sie das Verständnis der Anti-Corona-Maßnahmen bei Lehrkräften und Eltern.
Unser Vorschlag:
Abhängig von den Testergebnissen können Schulleitungen in enger Abstimmung mit dem jeweiligen Schulträger und der betreffenden Kommune ihre Einrichtung in eigener Verantwortung vollständig schließen oder weiterhin teilweise und im Falle von 100 Prozent negativen Tests sogar vollständig offenhalten. Es kommt darauf an, soviel Schulbetrieb wie nur irgend möglich zu gestatten.
Für Grundschulen und Kindertagesstätten orientiert sich eine gleichgelagerte Strategie an den Ergebnissen der Tests für Lehrer und Erzieher sowie freiwilliger Tests bei Kindern.
2.
Für Einzelhandel und Gastronomie macht sich bei verschiedenen Öffnungsszenarien eine stärkere Orientierung auf die konkrete Lage vor Ort und zu erwartende Entwicklungen notwendig.
Die Geschäfte unserer Innenstädte haben unter erheblichen Mühen tragfähige Hygienekonzepte entwickelt, müssen aber konstatieren, dass diese Konzepte je nach Branche ganz unterschiedlich genutzt werden dürfen. So ist es nicht nachvollziehbar, weshalb ein Modegeschäft die Aktion „click & meet“ mit einer genau definierten Zahl von Kunden in festen Zeiträumen wieder einstellen muss, während im benachbarten Buchladen oder Blumengeschäft deutlich bessere Möglichkeiten zum Einkauf bestehen, obwohl die räumlichen Verhältnisse nahezu deckungsgleich sind. Die Situation im Lebensmitteleinzelhandel zeigt sich in vielen Fällen noch drastischer. Diese Ungleichbehandlung, deren Gründe auch nicht sinnvoll zu kommunizieren sind, führt zu erheblichem Frust unter Unternehmern wie Bevölkerung gleichermaßen.
Unsere Vorschläge:
- „Click & Meet“ hat sich bereits innerhalb weniger Tage absolut bewährt. Es ist extrem unwahrscheinlich, dass sich bei derart strengen Regularien ein nennenswertes Infektionsgeschehen ergibt. Die Durchführung dieser Verkaufsmöglichkeit ist deshalb unabhängig von Inzidenzen in Eigenverantwortung der Kommunen, in Absprache mit den örtlichen Händlervereinigungen, zu ermöglichen.
- Eigenverantwortliches Handeln soll den Kommunen auch bei der Erlaubnis zur Umsetzung von Außengastronomie nach vorheriger Terminbuchung ermöglicht werden – ggf. mit der Pflicht zur regelmäßigen Testung des Personals - analog zum Verfahren bei Friseurgeschäften. Die strenge Beachtung der Abstandsregeln und eine Maskenpflicht des Personals sind unabdingbare Voraussetzung.
3.
Die Einschränkungen bei Sport im Freien erscheinen wenig zielführend und sind den Menschen, vor allem den Kindern und Jugendlichen, kaum zu vermitteln.
Das Verbot von Individualsport an frischer Luft und die sportliche Betätigung von Gruppen von Kindern auf Vereinssportanlagen erscheint gerade unter dem Gesichtspunkt der positiven Effekte des Sports auf die Gesundheit aller Altersgruppen und der geringen Infektionsgefahr an frischer Luft als wenig sinnvoll. Der positive Effekt des Sporttreibens für die körperliche und soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ist außerordentlich wichtig.
Unser Vorschlag:
Zumindest die Zulassung von Individualsport im Freien und von Sport für Kinder in festen Gruppen sollte unabhängig von Inzidenzwerten möglich sein – bei Beachtung der geltenden Regeln z. B. zur individuellen Anreise und dem Verzicht auf das Umziehen und Duschen auf dem Vereinsgelände. Für weitere Erleichterungen sind wie in anderen Bereichen die konkreten Situationen vor Ort stärker in die Entscheidungsfindung einzubeziehen.
4.
Kultur und Freizeit: Es ist uns bewusst, dass hier besonders sensibel gehandelt werden muss. Die Risiken erhöhter Mobilität sind unzweifelhaft vorhanden und müssen so gering wie möglich gehalten werden. Auch hier plädieren wir jedoch für die differenzierte Betrachtung der konkreten Lage und größere Eigenverantwortung der Entscheidungsträger vor Ort.
Schon bei den ersten Lockerungen hat sich gezeigt, dass sich alle Kommunen die konkrete Umsetzung sehr genau überlegt haben. So sind Leipzig und Dresden bei der Öffnung ihrer Zoos unterschiedlich vorgegangen und konnten das jeweils sehr gut begründen, ebenso das Moritzburger Wildgehege, das wegen der engen Bindung zur Großstadt nicht öffnete.
Gerade kleine Tiergärten mit allenfalls regionalem Einzugsbereich im ländlichen Raum können jedoch sehr gut mit detaillierten Hygienekonzepten öffnen, ohne dass an irgendeiner Stelle Ansammlungen von Besuchern entstehen oder eine größere Zahl von Menschen aus anderen Landkreisen angezogen wird.
Gleiches gilt für regionale Museen, Bibliotheken und mögliche Veranstaltungen unter freiem Himmel mit stark begrenzter Zuschauerzahl. Wir ermöglichen den Kultureinrichtungen damit zumindest einen Bruchteil ihrer sonstigen Aktivitäten und unseren Bürgerinnen und Bürgern eine Perspektive für die Zukunft, die auch für das soziale Wohlbefinden eine wichtige Rolle spielt.
Unser Vorschlag:
Mit einem Testregime für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie penibler Begrenzung der Besucherzahlen – analog zum Handel und der Gastronomie – sowie strengen Hygienebestimmungen sehen wir Möglichkeiten zur Öffnung von Museen, Bibliotheken und Tiergärten und zur Umsetzung kultureller Aktivitäten zumindest unter freiem Himmel und im lokalen Rahmen.
Zusammenfassend beinhalten alle Vorschläge die Möglichkeit, den Entscheidern direkt in den Kommunen mehr Eigenverantwortung und damit ein flexibleres Handeln zu ermöglichen. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister werden diese Verantwortung außerordentlich gewissenhaft und vorsichtig wahrnehmen. Die Kommunalverwaltungen stehen ständig im engen Kontakt zu den Gesundheitsämtern der Landkreise und den Kliniken der jeweiligen Region, so dass im Falle einer Verschärfung der Situation sofort und zielgenau reagiert werden kann. Die Gesundheit unserer Menschen bleibt oberstes Gut, daran gibt es nichts zu deuteln.
Wir stehen selbstverständlich gern für einen konstruktiven Meinungsaustausch zur gesamten Thematik zur Verfügung und wünschen uns generell durch die Staatsregierung eine stärkere Einbeziehung der engagierten Verantwortlichen der Städte und Gemeinden.
Unterzeichnet ist der Brief von Landrat Ralf Hänsel,
den Oberbürgermeistern Olaf Raschke (Meißen), Marco Müller (Riesa), Thomas Schubert (Coswig), Dr. Sven Mißbach (Großenhain), Bert Wendsche (Radebeul),
den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern Michaela Ritter (Radeburg), Dr. Anita Maaß (Lommatzsch), Manuela Gajewi (Priestewitz), Jochen Reinicke (Gröditz), René Venus (Lampertswalde), Dirk Zschoke (Stauchitz), Mirko Knöfel (Klipphausen), Falk Hentschel (Ebersbach), Lothar Herklotz (Röderaue), Jörg Hänisch (Moritzburg), Conrad Seifert (Hirschstein), Gerd Barthold (Nünchritz), Lutz Thiemig (Glaubitz), Jörg Jeromin (Strehla), Uwe Klingor (Käbschütztal), Siegfried Zenker (Weinböhla), Steffen Sang (Niederau), Dirk Mocker (Thiendorf), Hans-Joachim Weigel (Schönfeld), Christian Bartusch (Nossen)